Neue Studie zeigt: Bei Abstimmungen entscheidet oft das Abstimmungsbüchlein über Ja oder Nein

Abstimmungsbüchlein

Neue Studie zeigt unerwartetes Ergebnis

Zürich, 4 September 2024 - In wenigen Wochen findet die nächste eidgenössische Abstimmung statt. Befürwortende und Gegner möchten mit Abstimmungskampagnen möglichst viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für ihr Anliegen überzeugen. Daneben hat aber ein Element mit den grössten Einfluss auf das Abstimmungsverhalten: Der Inhalt des Abstimmungsbüchleins. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen, repräsentativen Umfrage.

 

In diesen Tagen liegen die Abstimmungsunterlagen für die Volksabstimmung von 22. September bei der Stimmbevölkerung vor. Gerade bei Volksinitiativen, aber auch bei Gesetzesvorlagen konzentrieren sich die verschiedenen Lager darauf, die Bevölkerung von ihren Botschaften zu überzeugen, in Zeitungen, Radio oder Fernsehen, Online oder auf Plakaten. Doch: Ein zusätzlicher Faktor hat einen direkten Einfluss auf das Stimmverhalten, wie die heute veröffentlichten Ergebnisse der repräsentativen Umfrage ‘Effekt von Text im Abstimmungsbüchlein’ im Auftrag von Kampagnenforum zeigen. Der Inhalt des Abstimmungsbüchleins macht einen Unterschied von über 15 Prozentpunkten aus. Ein Anteil, der bei Abstimmungsvorlagen fast immer entscheidend ist. 

 

Text im Abstimmungsbüchlein macht einen Unterschied von mehreren Prozentpunkten - grösster Einfluss bei Stimmbevölkerung aus Politischer Mitte

Der kausale Effekt betrifft Stimmberechtigte aus allen politischen Lagern, wie die repräsentative Studie unter Berücksichtigung von Kontrollgruppen und Placebogruppen aufzeigte (1). Den grössten Einfluss hat der Inhalt des  Abstimmungsbüchleins auf Stimmberechtigte aus der politischen Mitte (2).«Wer an den Polen abstimmt, hat meist eine vorgefertigtere Meinung und lässt sich weniger auf weitere Argumente und Botschaften ein», erklärt Kommunikationsstrategin Marianne Affolter, Co-Geschäftsführerin des Kampagnenforum, das die Studie zur Eruierung des möglichen Effekts der Abstimmungsunterlagen beauftragt hatte.

 

«Die ausgewerteten Ergebnisse zeigen: Gegner und Befürwortende müssen der Formulierung des Textes in den Abstimmungsunterlagen höchstmögliche Aufmerksamkeit geben», sagt Affolter. Am meisten Erfolg hat, wer dabei nicht einfach die Kampagnenbotschaften wiederholt, sondern sich auf die Wirkung in den Abstimmungsunterlagen konzentriert. «Die Argumente müssen vor allem die politische Mitte abholen», so die Kampagnenforum-Leiterin. Der Text im Abstimmungsbüchlein müsse weder Anhänger mobilisieren noch Gegner auf der letzten Meile zu überzeugen versuchen. Sie müssten vielmehr einfach, direkt und ausgewogen sein. «Das kann also eine ganz andere Kampagnensprache sein als etwa jene, die benutzt wird, um Anhänger zu mobilisieren.» Viele Stimmberechtigte verfolgen den öffentlichen Diskurs nur am Rande und entscheiden innert Sekunden bei Erhalt der Abstimmungsunterlagen über Ja oder Nein.

 

Durchgeführt hat die Studie ‘Effekt von Text im Abstimmungsbüchlein’ von Kampagnenforum Prof. Oliver Strijbis von der Franklin University Switzerland, der gemeinsam mit dem Dienstleister für NPO und Behörden auch die Argumentetests durchführt oder Abstimmungsprognosen erstellt. Der Datensatz der Studie von Prof. Oliver Strijbis wurde im Juni 2024 durchgeführt als Online-Befragung (CAWI) mit einer stratifizierten Stichprobe von über 1‘100 Personen aus der wahlberechtigten Bevölkerung in der Schweiz. Altersverteilung, Geschlecht, Sprachgruppe und Bildung entsprechen den Schweizer Wahlberechtigten.

 

Mehr Gewicht auf der politischen Vorarbeit - und dem Einfluss der Behörden auf die Abstimmungstexte

Für Studienleiter und Politologieprofessor Oliver Strijbis ist die Stärke des Effekts «überraschend gross».  «Dass die Abstimmungsunterlagen einen solchen kausalen Effekt auf das Abstimmungsverhalten der Schweizer Stimmbevölkerung haben, ist neu: Das konnte mit unserer Befragung erstmals so nachgewiesen werden», sagt Strijbis. In einem zweiten Schritt will man mit einer Folgestudie eruieren, welche Inhalte welchen kausalen Effekt erzeugen.

 

Denn: Weil gerade bei Volksinitiativen das Framing im Abstimmungstext die Haltung des Bundesrats wiedergibt, müssen Gegenargumente widerlegt werden, ohne sie zu wiederholen. «Das ist nicht einfach, aber machbar - und verschafft einem mehrere Prozentpunkte Unterschied in der Zustimmung. Genau diese Prozentpunkte können an der Urne den Unterschied machen», so Marianne Affolter. 

 

(1) 18 Prozentpunkte gegenüber Kontrollgruppe.

(2) 25 Prozentpunkte gegenüber Kontrollgruppe.