Schwiizer Frücht, ich weiss warum?
von Meret Schneider
Der erste August liegt hinter uns und wie immer wurden in Festreden und heimatverbundenen Liedern der Patriotismus und die Solidarität gepriesen. Doch trotz allen Überangebots an Heimatliebe und pathostriefenden, glanzvollen Formulierungen, die einem gern auch einmal etwas übers Ziel hinauszuschiessen scheinen, wünschte ich mir in bestimmten Bereichen tatsächlich ein bisschen mehr des postulierten schweizer Solidaritätsgedankens. Ein Bereich, der gerade aktuell ein bisschen mehr Heimatliebe und Stolz auf die Schweizer Produktion vertragen könnte, ist das Obstregal. Nachdem Herr und Frau Schweizer am ersten August an Bauernbrunches ihre Solidarität mit den Bäuerinnen und Bauern mit dem Mund voll hausgemachter Züpfe in salbungsvollen Worten betonten und Migros sich in ihrer Werbung zynischerweise als “grössten Hofladen der Schweiz” bezeichnete, wäre nun die Gelegenheit, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Insbesondere die Schweizer Kirschbäuerinnen und -bauern spüren von dieser Solidarität - ob von Konsumierenden oder vom Detailhandel - aktuell nämlich ernüchternd wenig.
So warb Coop beispielsweise in den ersten Juliwochen mehrfach für Kirschen mit Herkunft Schweiz/Türkei, obwohl im Vornherein darüber informiert worden war, dass die Ernte gut ausfallen und es genügend inländische Kirschen geben wird. Coop beteuert zwar, dass seit Juni keine Importkirschen mehr verkauft wurden, dennoch sind solche Aktionen ein Ärgernis. Wie in einem Artikel der Bauernzeitung zu lesen war, kamen in der ersten Juliwoche mehr Kirschen als erwartet auf den Markt. Die Kirschenqualität war gut, wie Ernst Lüthi vom Baselbieter Obstverband betonte. Am Verkaufspunkt hätten sie neben den Importkirschen jedoch einen schweren Stand gehabt. Hinzu kam das Problem, dass die diesjährigen Kirschen schlecht lagerbar waren. Die lange, kalte Regenperiode führte dazu, dass die Kirschen mit Wasser durchzogen waren, was dem Geschmack und der Qualität keinen Abbruch tut, jedoch die Lagerungsfähigkeit stark beeinträchtigt. Als der Verkauf stockte, entschieden die Produzenten und ihr Abnehmer, die Tobi Seeobst AG und die Fenaco, gemeinsam, die schlechtesten Posten vom Markt zu nehmen und nur mit der Hauptsorte Kordia in die Läden zu gehen. Der Schaden wurde geteilt, was bedeutete, dass die Abnehmer einen Teil übernahmen und der Rest aufgeteilt wurde. So kam wieder Schwung in den Verkauf, doch die nicht verkauften Kirschen landeten in der Biogasanlage, was natürlich eine Lebensmittelverschwendung sondergleichen bedeutet. Schweizweit wurden zwischen 250 und 300 t Kirschen so entsorgt.
Zudem bekamen durch den Überschuss auch die Produzierenden die Folgen zu spüren, und zwar durch den verschärften Preisdruck: Sie mussten nicht nur die Überschussverwertung mittragen, sondern auch die Verkaufsaktionen über einen Aktionsbeitrag von Fr. 0.40/kg mitfinanzieren. Wenngleich Coop beteuert, dass zur Zeit der Aktionen für Kirschen der Herkunft Schweiz/Türkei keine ausländischen Kirschen verkauft wurden, so fragt man sich doch, weshalb dann die Herkunftsbezeichnung Türkei überhaupt ausgeschildert und nicht klar die Schweizer Herkunft ausgelobt wurde - was ja auch ein überzeugendes Kaufargument für Konsumierende wäre. Zudem geht aus den Daten vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit hervor, dass zwischen dem 1. und dem 25. Juli 21 Tonnen Kirschen importiert wurden, obwohl von Seiten Produzierenden bereits eine reiche und überdurchschnittliche Ernte angekündigt war. Wer genau importiert hat, ist aus den Daten nicht ersichtlich, aber es fragt sich definitiv, welche Motivation solchen Importen zur Hauptsaison zu Grunde liegt, wenn eine ausreichende Inlandsverfügbarkeit angekündigt wird.
Es ist zu hoffen, dass es nicht die Möglichkeit ist, über einen Überschuss die Produzentenpreise drücken zu können und es ist zu hoffen, dass dies nicht beim nächsten saisonalen Obst direkt wieder geschieht: der Traube. Denn obwohl die Traubenlese in der Schweiz noch nicht begonnen hat, finden sich aktuell Aktionen auf importierte Tafeltrauben auf grossen Verkaufsflächen in den hiesigen Grossverteilern, statt beispielsweise die Schweizer Kirschen attraktiver zu positionieren und den Verkauf dadurch zu begünstigen.
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Unsere Autorin
Meret Schneider ist Linguistin, Kommunikations- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet als Projektleiterin für das Kampagnenforum. Davor war sie Nationalrätin des Kantons Zürichs, hat als Co-Geschäftsleitung einer NPO die Initiative gegen Massentierhaltung mitinitiiert, die Kampagne begleitet und war in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Praxis tätig. Heute ist sie ausserdem freischaffende Journalistin und schreibt wöchentliche Kolumnen für Moneycab sowie Gastbeiträge für Nau.ch.