Pistenverlängerung für mehr Sicherheit? Greenwashing durch Renaturierung von Moor und Kanälen? Heute erfahren wir, welche Pläne der Flughafen Zürich wirklich hat, um sich zu vergrössern.
50 Millionen Passagiere
Gemäss Flughafen-Zürich-CEO Stephan Widrig sollen bis im Jahr 2040 etwa 50 Millionen Passagiere in Zürich abgefertigt werden. Rechnen wir mit den Zahlen (Passagiere / Flugbewegungen) von 2019, so bedeutet dies, dass auf dem Flughafen Zürich dannzumal mit 420´000 Flugbewegungen zu rechnen ist. Vor der Pandemie lag der Wert bei 31.5 Mio. Passagiere und 275'000 Flugbewegungen. Es wird eng am Himmel.
Das Puzzle
Die beiden Pisten 28 und 32 sollen unter dem verführerischen aber falschen Titel «für einen stabilen und sichern Betrieb» verlängert werden. Bei genauerem Hinsehen sind diese Verlängerungen zwei wichtige Puzzleteile für die massive Kapazitätserhöhung. Wenn alle Projekte für den Ausbau realisiert sind, werden gut 2,5 bis 3 Milliarden Franken investiert worden sein.
Die Pistenverlängerungen verursachen zusätzliche Belastung für die gesamte Bevölkerung. Besonders betroffen sind etwa Bevölkerungsgruppen wie jene im Zürcher Kreis 12, dies durch die Starts dem bekannten Leftturn (auch als Flughafenrunde bekannt), sowie alle anderen durch die Umwelt- und Schadstoffbelastung. Um dem Zürcher Stimmbürger das Paket schmackhaft zu machen, wird die Renaturierung der Glatt als Sahnehäubchen präsentiert: Auf 1,3 km soll der Glattkanal (Piste 10 / 28, auf Rümlanger Seite), mit der Hergabe von Kulturland verschönert werden. Neu soll die Glatt im Pistenbereich durch einen Tunnel geführt werden. Eine echte Renaturierung wäre billiger zu haben: Man müsste lediglich im jetzigen Glattkanal die Steine herausreissen.
Schönfärberei
Ein weiteres Puzzleteil ist die – Fachausdruck-Alarm: «Pistenkopf-Umrollung» der Piste 10 / 28 auf der Klotener Seite. Über den Rollweg am Pistenende wird nicht abgestimmt. Lediglich Einsprachen sind möglich. Das Sahnehäubchen hier heisst «Mooraufwertung». Nachdem das Feuchtgebiet von nationaler Bedeutung durch Pisten und Rollwege zum grossen Teil zerstört worden ist, soll es nach einem weiteren brachialen Eingriff kosmetisch aufgewertet werden. Wird da auch noch Dankbarkeit erwartet?
Wo wir gerade bei PR-Geschwurbel sind: Beim neuen Dock A wird von «Nachhaltigkeit» und «ambitionierter CO2-Reduktion», sowie mehr Platz für Passagiere schwadroniert. Kein Wort zur massiven Kapazitätserhöhung, die mit allen Projekten der Flughafen Zürich AG (FZAG) einher geht. Die durch die FZAG deklarierten Ziele zur Emissionsminderung werden durch die massive Kapazitätserweiterung pervertiert und zunichtegemacht. Den Verantwortlichen der FZAG scheint auch im Klimabereich jegliches Feingefühl abzugehen. Es soll weiter, ohne Rücksicht auf die Umwelt und die von Flugemissionen betroffene Bevölkerung expandiert werden.
Was tun?
Um unsere Klimaziele wirklich zu erreichen und die Bevölkerung in der Nähe von Flughäfen zu schützen, müssen eine Reihe von Massnahmen auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene ergriffen werden:
- Es führt kein Weg daran vorbei, die Zahl der Flüge zu reduzieren, um bis 2040 tatsächlich null Emissionen zu erreichen. Die europäischen Fluggesellschaften müssen ihre Flüge um jährlich zwei Prozent reduzieren, um die Erderwärmung unter 1,5 ºC zu halten – Kurzstreckenflüge müssen durch den Bahnverkehr ersetzt werden; generell sollen die öffentlichen Verkehrsmittel gestärkt werden.
- Die Flugbranche muss sich von der Illusion der «CO2-Neutralität» verabschieden und mit dem Mythos des «grünen Fliegens» aufräumen und aufhören, falsche Lösungen zu propagieren und das falsche Gefühl vermitteln, dass die Flugbranche die durch sie verursachten Klimaschäden unter Kontrolle und im Griff habe.
- Die gesamte Flugbranche, von den Flughäfen bis zu den Airlines, müssen für die durch sie verursachten Umwelt- und Gesundheitsschäden zur Verantwortung gezogen werden. Dies mit Steuern auf Kerosin, wie dies der Strassenverkehr längst kennt, sowie Abgaben auf Tickets, wie dies im ÖV üblich ist.
Wir müssen aufhören, das heutige System, das die gesamte Flugbranche mit Steuergeldern subventioniert, weiterzuführen. Das ständige Verweisen der Fluglobby auf ihre Wichtigkeit hat einer realen Bewertung Platz zu machen, will heissen, wir benötigen ein gewisses Mass an Flugverkehr, aber auf einem viel tieferen Level. Dies auch zum Schutz der in diesem Bereich angestellten Menschen. Die jetzt auftretenden Arbeitskonflikte im Luftfahrtbereich zeigen, dass die Flugbranche sich mit «immer billiger – immer mehr» in eine Sackgasse manövriert hat. Es ist Zeit für einen Modellwechsel.
Unser Autor
Urs Dietschi ist grüner Kantonsrat in Zürich, Vizepräsident und Sprecher des Vereins FAIR in AIR, der sich für eine hohe Lebensqualität der Wohnbevölkerung rund um den Flughafen Kloten engagiert.
Durch seine politische Tätigkeit und den Verein setzt er sich für eine umweltfreundlichere Gesellschaft ein und kämpft gegen das massive Wachstum des Flugverkehrs in der Schweiz.