Social Campaigning: Die Bühne ist wichtiger als der Gegner
Herkömmliche Kampagnen kommen meist mit einem Claim, einem Visual und einer Kernbotschaft aus, welche man dann möglichst breit streut. Im Social Campaigning ist alles sehr viel chaotischer. Heute sind die Strategien nicht mehr statisch, sondern dynamisch.
Man bedient sich des Storytellings, um eine Kampagnendramaturgie zu orchestrieren. Man erzählt fortlaufend die Geschichte des eigenen Anliegens und berücksichtigt dabei Stimmung, aktuelles Zeigeschehen und engagiert sich auch auf den Plattformen des Gegners.
Seit Social Media in Reichweite und Impact die klassischen Medien ergänzen und teilweise überholen, sind neue, flexible Formen der Kommunikation gefragt. Das Zielpublikum hat mit Social Media eine eigene Stimme erhalten. Die Zeiten sind definitiv vorbei, in denen man seine Inhalte mit dem Megaphon in die Menge schrie, oder vom Elfenbeinturm der Kampagnenzentrale publizistische Papierflieger auf die Bevölkerung regnen liess.
Social Campaigning bedeutet, dass man während der ganzen Kampagne 24/7 den Finger am Puls der öffentlichen Diskussion haben muss. Man steht morgens auf und checkt die Twitter- und Facebookaccounts des Kampagengegners, man bringt jeden Tag eine neue Argumentationskette, man diskutiert auf allen Kanälen. Es ist, als ob man die eigene Kampagne jeden Tag neu erfinden müsste.
Die Bühne ist wichtiger als der Gegner
Natürlich fragt sich manch ein Campaigner, warum er mit Leuten in den sozialen Medien streiten soll, wenn er diese sowieso nicht erreichen, geschweige denn überzeugen kann. Social Campaigning hat eine alte Form des Disputs wieder aufleben lassen: Man streitet sich vor Publikum mit dem Gegner. Wer eleganter argumentiert, wer stärker auftritt, wer besser dasteht, gewinnt das Publikum. Man streitet also nicht, um den Gegner zu überzeugen, sondern um beim Publikum zu punkten.
Kann man seine Argumente emotional und faktisch in Herz und Kopf der Crowd verankern, verfügt man über ein starkes Instrument zur Mobilisierung. Ob bei Abstimmungen oder bei Kampfkampagnen gegen übermächtige Gegner, man kann die geschaffene Community zu einer Action motivieren: Sei es eine Mail an einen Konzern zu schicken oder an einer Strassenaktion teilzunehmen oder einfach, ein Couvert in die Urne zu werfen. Der Impact und die Schlagkraft einer Grassroot-Community ist in jeder politischen Kampagne ein mächtiges Werkzeug.
Reichweite ist nicht gleich Impact
Um dieses Instrument zu schaffen, muss man die vertrauten Wege des Campaignings und der Kommunikation verlassen. Sprache und Storytelling müssen sich weiterentwickeln, um den Usern auf Augenhöhe zu begegnen. Das ist kein Zaubertrick, sondern mit etwas Empathie erlernbar.
Viele Kampagnen benutzen die sozialen Medien als kleine Erweiterung ihrer Plakatwände und pushen ein paar Bilder, für deren Reichweite sie zahlen. Das hilft ein wenig bei der Wahrnehmung, wirkt aber nicht nachhaltig. Um Impact im echten Leben und über die reine Wahrnehmung hinaus zu generieren, ist eine sorgfältig gepflegte Beziehung und der Dialog mit der eigenen Community notwendig.
Das ist aufwändig und braucht Zeit. Aber es lohnt sich.